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Der nektar der unterweisung 2

Text

atyāhāraḥ prayāsaś ca
prajalpo niyamāgrahaḥ
jana-saṅgaś ca laulyaṁ ca
ṣaḍbhir bhaktir vinaśyati

Synonyms

ati-āhāraḥ — sich überessen oder zu viel ansammeln; prayāsaḥ — sich zu sehr bemühen; ca — und; prajalpaḥ — müßiges Geschwätz; niyama — Regeln und Vorschriften; āgrahaḥ — zuviel Anhaftung an (oder agrahaḥ – zu starke Vernachlässigung von); jana-saṅgaḥ — Gemeinschaft mit weltlich gesinnten Menschen; ca — und; laulyam — brennendes Verlangen oder Gier; ca — und; ṣaḍbhiḥ — durch diese sechs; bhaktiḥ — hingebungsvoller Dienst; vinaśyati — wird zerstört.

Translation

Der hingebungsvolle Dienst wird verdorben, wenn man sich zu sehr in die folgenden sechs Tätigkeiten verstrickt: (1) Mehr essen als nötig oder mehr Bestände ansammeln, als man braucht; (2) Übermäßiges Bemühen um weltliche Dinge, die sehr schwer zu erreichen sind; (3) Unnötiges Reden über weltliche Dinge; (4) Ausüben der in den Schriften gegebenen Regeln und Vorschriften nur um des Befolgens und nicht um des spirituellen Fortschritts willen oder Mißachten der Regeln und Regulierungen in den Schriften und unabhängiges oder launenhaftes Handeln; (5) Umgang mit weltlich gesinnten Menschen, die kein Interesse am Kṛṣṇa-Bewußtsein haben und (6) Gierigsein nach weltlichen Errungenschaften.

Purport

ERLÄUTERUNG: Das menschliche Leben ist dafür bestimmt, einfach zu leben und hoch zu denken. Da alle bedingten Lebewesen unter der Herrschaft der dritten Energie des Herrn stehen, ist die materielle Welt so geschaffen, daß man zur Arbeit gezwungen ist. Der Höchste Persönliche Gott besitzt drei hauptsächliche Energien oder Kräfte. Die erste nennt man antaraṅga-śakti oder innere Kraft. Die zweite heißt taṭastha-śakti oder marginale Kraft. Die dritte wird als bahiraṅga-śakti oder äußere Kraft bezeichnet. Die Lebewesen bilden die marginale Kraft und befinden sich als solche zwischen der inneren und äußeren Kraft. Da sie als ewige Diener des Höchsten Persönlichen Gottes eine untergeordnete Stellung innehaben, müssen die jīvātmās oder winzigen Lebewesen entweder unter der Herrschaft der inneren oder der äußeren Kraft verbleiben. Wenn sie unter der Herrschaft der inneren Kraft stehen, kommt ihre natürliche, wesenseigene Tätigkeit zum Vorschein, nämlich ständige Beschäftigung im hingebungsvollen Dienst des Herrn. In der Bhagavad-gītā (9.13) heißt es hierzu:

mahātmānas tu māṁ pārtha
daivīṁ prakṛtim āśritāḥ
bhajanty ananya-manaso
jñātvā bhūtādim avyayam

„O Sohn Pṛthās, diejenigen, die nicht verblendet sind, die großen Seelen, stehen unter dem Schutz der göttlichen Natur. Sie sind vollständig im hingebungsvollen Dienst beschäftigt, da sie Mich als die Höchste Persönlichkeit Gottes kennen, die ursprünglich und unerschöpflich ist.“

Das Wort mahātmā bezieht sich auf diejenigen, die großherzig sind – nicht auf die Engherzigen. Engherzige Menschen, die ständig mit der Befriedigung ihrer Sinne beschäftigt sind, dehnen ihre Tätigkeiten zuweilen aus, um im Namen eines „lsmus“, wie Nationalismus, Humanismus oder Altruismus, anderen Gutes zu tun. Sie mögen von der Befriedigung ihrer eigenen Sinne Abstand nehmen, um anderen, wie den Mitgliedern der eigenen Familie, ihrer Gemeinschaft oder Gesellschaft – entweder national oder international, die Befriedigung der Sinne zu ermöglichen. Im Grunde ist dies erweiterte Sinnenbefriedigung, die sich vom persönlichen zum gemeinschaftlichen und von dort zum sozialen Bereich ausdehnt. Vom materiellen Standpunkt aus betrachtet mag all dies sehr gut erscheinen, doch solche Tätigkeiten haben keinen spirituellen Wert. Die Grundlage solcher Tätigkeiten ist Sinnenbefriedigung, entweder persönlich oder erweitert. Nur wenn jemand die Sinne des Höchsten Herrn befriedigt, kann man ihn als einen mahātmā oder großherzigen Menschen bezeichnen.

In dem oben zitierten Vers aus der Bhagavad-gītā beziehen sich die Worte daivīm prakṛtim auf die Herrschaft der inneren Kraft oder Freudenkraft des Höchsten Persönlichen Gottes. Diese Freudenkraft ist als Śrīmatī Rādhārāṇī oder ihre Erweiterung Lakṣmī, die Glücksgöttin, manifestiert. Wenn die individuellen jīva-Seelen unter der Herrschaft der inneren Energie stehen, ist es ihre einzige Beschäftigung, Kṛṣṇa oder Viṣṇu zufriedenzustellen. Es ist dies die Stellung eines mahātmā. Wenn man kein mahātmā ist, ist man ein durātmā oder ein engherziger Mensch. Solch geistig verkrüppelte durātmās werden der Herrschaft der äußeren Energie des Herrn, mahā-māyā, unterstellt.

In der Tat unterstehen alle Lebewesen in der materiellen Welt der Herrschaft mahā-māyās, deren Aufgabe darin besteht, sie dem Einfluß dreifacher Leiden zu unterwerfen: adhidaivika-kleśa (Leiden, die durch die Halbgötter verursacht werden, wie zum Beispiel Dürren, Erdbeben und Stürme), adhibhautika-kleśa (Leiden, die durch andere Lebewesen wie Insekten oder Feinde verursacht werden) und adhyātmika-kleśa (Leiden, die durch den eigenen Körper und Geist entstehen, wie beispielsweise geistige und physische Gebrechlichkeiten). Daiva-bhūtātma-hetavaḥ: Die bedingten Seelen, die unter der Herrschaft der äußeren Energie diesen drei Leiden unterworfen sind, müssen vielfache Schwierigkeiten erdulden.

Das Hauptproblem, dem die bedingten Seelen gegenüberstehen, ist die Wiederholung von Geburt, Alter, Krankheit und Tod. In der materiellen Welt muß man arbeiten, um Körper und Seele zu erhalten, doch wie kann man solche Arbeit in einer Weise ausführen, die für die Ausübung von Kṛṣṇa-Bewußtsein förderlich ist? Jeder benötigt Besitztümer wie Getreide, Kleidung, Geld und andere Dinge, die für die Erhaltung des Körpers unerläßlich sind, doch sollte sich niemand mehr aneignen, als er für die Befriedigung seiner tatsächlichen Grundbedürfnisse benötigt. Wenn man sich an diesen natürlichen Grundsatz hält, werden bei der Erhaltung des Körpers keinerlei Schwierigkeiten auftreten.

Die Natur hat es so eingerichtet, daß Lebewesen, die auf einer unteren Stufe der Evolutionsleiter stehen, nicht mehr essen oder sammeln, als sie brauchen. Folglich gibt es im Tierreich im Allgemeinen keine Wirtschaftsprobleme oder Knappheit an den zum Leben notwendigen Dingen. Wenn man einen Sack Reis an einen öffentlichen Ort stellt, werden die Vögel kommen, ein paar Körner fressen und wegfliegen. Ein Mensch jedoch wird den ganzen Sack fortschaffen. Er wird so viel essen, wie sein Magen zu fassen vermag, und dann versuchen, den Rest als Vorrat zu behalten. Nach den Schriften ist dieses „Mehr-Sammeln-als-nötig“ (atyāhāra) verboten. Gegenwärtig leidet die ganze Welt aus diesem Grunde.

Mehr zu sammeln und zu essen als nötig führt überdies zu prayāsa oder unnötigem Bemühen. Durch Gottes Vorkehrung kann jeder in jedem Teil der Welt friedlich leben, wenn er ein wenig Land und eine Milchkuh besitzt. Es ist für den Menschen nicht nötig, sich von Ort zu Ort zu bewegen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, denn man kann dort, wo man lebt, Getreide erzeugen und die Milch der Kühe bekommen. So können alle wirtschaftlichen Probleme gelöst werden. Zum Glück ist dem Menschen eine höhere Intelligenz verliehen worden, damit er Kṛṣṇa-Bewußtsein oder das Verständnis von Gott, seine Beziehung zu Ihm und das endgültige Ziel des Lebens, Liebe zu Gott, kultivieren kann. Unglücklicherweise gebraucht der sogenannte zivilisierte Mensch, der sich nicht um Gotteserkenntnis kümmert, seine Intelligenz dazu, mehr zu bekommen, als er braucht, und nur zu essen, um die Zunge zu befriedigen. Durch Gottes Vorkehrung gibt es für Menschen auf der ganzen Weit genügend Möglichkeiten, Milch und Getreide zu erzeugen, doch anstatt ihre höhere Intelligenz zur Kultivierung von Gottesbewußtsein zu benutzen, mißbrauchen sogenannte intelligente Menschen ihre Intelligenz, um zahllose unnötige und unerwünschte Dinge zu erzeugen. Folglich eröffnen sie Fabriken, Schlachthäuser, Bordelle und Spirituosengeschäfte. Wenn man den Menschen rät, nicht zu viele Güter anzusammeln, nicht zu viel zu essen oder unnötig zu arbeiten, um künstliche Annehmlichkeiten zu besitzen, glauben sie, man rate ihnen, zu einer primitiven Lebensweise zurückzukehren. Gewöhnlich lieben es die Menschen nicht, einfach zu leben und hoch zu denken. Das ist ihre unglückselige Lage.

Das menschliche Leben ist für Gotteserkenntnis bestimmt, und der Mensch ist zu diesem Zweck mit höherer Intelligenz ausgestattet worden. Diejenigen, die daran glauben, daß ihre höhere Intelligenz dafür bestimmt ist, eine höhere Stufe zu erreichen, sollten den Unterweisungen der vedischen Schriften folgen. Wenn man solche Unterweisungen von höheren Autoritäten empfängt, kann man sich tatsächlich vollkommenes Wissen aneignen und seinem Leben eine wahre Bedeutung geben.

Im Śrīmad-Bhāgavatam (1.2.9) beschreibt Śrī Sūta Gosvāmī den wahren menschlichen dharma wie folgt:

dharmasya hy āpavargyasya
nārtho ’rthāyopakalpate
nārthasya dharmaikāntasya
kāmo lābhāya hi smṛtaḥ

„Alle pflichtgemäßen Tätigkeiten [dharma] sind zweifellos für endgültige Befreiung bestimmt. Sie sollten niemals ausgeführt werden, um materiellen Gewinn zu erzielen. Darüber hinaus soll jemand, der im endgültigen pflichtgemäßen Dienst [dharma] beschäftigt ist, materiellen Gewinn niemals für Sinnenbefriedigung benutzen.“

Der erste Schritt zu einer menschlichen Zivilisation besteht darin, pflichtgemäße Tätigkeiten den Anweisungen der Schriften entsprechend auszuführen. Die höhere Intelligenz des Menschen sollte darin geschult werden, grundlegendes dharma zu verstehen. In der menschlichen Gesellschaft gibt es vielerlei religiöse Auffassungen, die wir als Hinduismus, Christentum, Islam, Buddhismus und so fort kennen, denn ohne Religion ist die menschliche Gesellschaft nicht besser als die tierische.

Wie oben gesagt wurde (dharmasya hy āpavargyasya nārtho 'rthāyopakalpate), ist Religion zur Erlangung von Befreiung gedacht und nicht dazu, Brot zu bekommen. Bisweilen schafft die menschliche Gesellschaft ein System sogenannter Religion, das materiellen Fortschritt zum Ziel hat, doch ist dies vom Zweck wahren dharmas weit entfernt. Zur Religion gehört, daß man die Gesetze Gottes versteht, denn das Befolgen dieser Gesetze führt schließlich aus der materiellen Verstrickung heraus. Das ist der wahre Zweck der Religion. Unglückseligerweise üben die Menschen Religion aus, um materiellen Wohlstand zu erreichen, da sie von atyāhāra oder einem übermäßgen Verlangen nach solchem Wohlstand getrieben werden. Wahre Religion hingegen weist die Menschen an, mit den einfachsten Lebensnotwendigkeiten zufrieden zu sein, während sie Kṛṣṇa-Bewußtsein kultivieren. Obgleich wir wirtschaftlichen Fortschritt benötigen, gestattet wahre Religion dies nur, um für die Grundbedürfnisse des materiellen Daseins zu sorgen. Jīvasya tattva-jijñāsā: „Der wahre Zweck des Lebens besteht darin, Fragen über die Absolute Wahrheit zu stellen.“ (SB. 1.2.10) Wenn unser Bestreben (prayāsa) nicht dahin geht, nach der Absoluten Wahrheit zu forschen, werden wir nur unsere Bemühungen zur Befriedigung unserer künstlichen Bedürfnisse steigern. Ein spiritueller Aspirant sollte weltliche Bemühungen vermeiden.

Ein weiteres Hindernis ist prajalpa, unnötiges Gerede. Wenn wir mit Freunden zusammenkommen, beginnen wir sogleich, über unnötige Dinge zu sprechen, und gleichen damit quakenden Fröschen. Wenn wir reden müssen, sollten wir über die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein sprechen. Diejenigen, die außerhalb der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein stehen, sind daran interessiert, Berge von Zeitungen, Zeitschriften und Romanen zu lesen, Kreuzworträtsel zu lösen und viele andere unsinnige Dinge zu tun. Auf diese Weise verschwenden die Menschen ihre kostbare Zeit und Energie. In den westlichen Ländern spielen alte Männer, die sich aus dem aktiven Leben zurückgezogen haben, oft Karten, angeln oder sitzen vor dem Fernseher und debattieren über nutzlose sozialpolitische Pläne. All diese und andere sinnlose Tätigkeiten gehören zur prajalpa-Kategorie. Intelligente Menschen, die sich für das Kṛṣṇa-Bewußtsein interessieren, sollten niemals an solchen Dingen teilnehmen.

Jana-saṅga bezieht sich auf die Gemeinschaft mit Menschen, die kein Interesse am Kṛṣṇa-Bewußtsein zeigen. Man sollte solche Gemeinschaft streng vermeiden. Śrīla Narottama dāsa Ṭhākura rät uns daher, nur in der Gemeinschaft Kṛṣṇa-bewußter Gottgeweihter (bhakta-sane vāsa) zu leben. Auch soll man sich stets im Dienst des Herrn in der Gemeinschaft der Geweihten des Herrn betätigen. Der Umgang mit Menschen, die in einem ähnlichen Bereich tätig sind wie man selbst, ist für die Förderung solcher Tätigkeiten sehr hilfreich. Folglich bilden materialistische Menschen Gesellschaften und Vereine, um ihre Bemühungen zu verstärken. Zum Beispiel finden wir im Geschäftsleben Einrichtungen wie die Börse und die Handelskammer. In ähnlicher Weise haben wir die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein gegründet, um den Menschen Gelegenheit zu bieten, mit denen Gemeinschaft zu pflegen, die Kṛṣṇa nicht vergessen haben. Diese spirituelle Gemeinschaft, die von unserer ISKCON-Bewegung angeboten wird, wächst Tag für Tag. Viele Menschen aus allen Teilen der Welt schließen sich dieser Gesellschaft an, um ihr schlummerndes Kṛṣṇa-Bewußtsein zu erwecken.

Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura schreibt in seinem Anuvṛtti-Kommentar, daß eine zu große Anstrengung seitens der gedanklichen Spekulanten oder trockenen Philosophen, Wissen zu erwerben, ebenfalls in die Kategorie des atyāhāra (mehr als nötig anzusammeln) fällt. Im Śrīmad-Bhāgavatam heißt es, daß die Bemühung philosophischer Spekulanten, Bände von Büchern über trockene Philosophie ohne Kṛṣṇa-Bewußtsein zu schreiben, ein völliger Fehlschlag ist. Die Arbeit von karmīs, die Bände von Büchern über wirtschaftliche Entwicklung schreiben, fällt ebenfalls in diese Kategorie des atyāhāra. Auch diejenigen, die kein Verlangen nach Kṛṣṇa-Bewußtsein haben, sondern nur daran interessiert sind, mehr und mehr materielle Dinge zu besitzen – entweder in Form wissenschaftlichen Wissens oder geldlicher Gewinne, unterstehen alle der Herrschaft des atyāhāra.

Karmīs arbeiten, nur um für zukünftige Generationen mehr und mehr Geld anzuhäufen, denn sie kennen nicht ihre eigene zukünftige Stellung. Nur daran interessiert, mehr und mehr Geld für ihre Söhne und Enkel anzuhäufen, wissen solch törichte Menschen nicht einmal, welche Stellung sie im nächsten Leben einnehmen werden. Es gibt viele Beispiele, die diesen Punkt verdeutlichen. Einst häufte ein bedeutender karmī ein riesiges Vermögen für seine Söhne und Enkel an, doch später wurde er seinem karma gemäß im Hause eines Schusters geboren, der in der Nähe des Gebäudes wohnte, das der karmī in seinem vorangegangenen Leben für seine Kinder errichtet hatte. Es geschah nun, daß die früheren Söhne und Enkel dieses karmī, der jetzt ein Schuster war, mit Schuhen nach ihm schlugen, wenn er zu seinem früheren Haus kam. Solange die karmīs und jñānīs kein Interesse am Kṛṣṇa-Bewußtsein zeigen, werden sie einfach weiter ihr Leben mit fruchtlosen Tätigkeiten verschwenden.

Einige der in den Schriften niedergelegten Regeln und Regulierungen anzunehmen, um einen sofortigen Nutzen zu gewinnen, wie es die Utilitarier befürworten, wird als niyama-āgraha bezeichnet, und die Mißachtung der Regeln und Vorschriften der śāstras, die für spirituelle Entwicklung bestimmt sind, nennt man niyama-āgraha. Das Wort āgraha bedeutet „begierig sein, etwas anzunehmen“ und agraha bedeutet „das Versäumnis, etwas anzunehmen“. Wenn eines dieser beiden Wörter mit dem Wort niyama (Regeln und Vorschriften) verbunden wird, entsteht das Wort niyamāgraha. Niyamāgraha trägt daher eine zweifache Bedeutung, die sich nach der jeweiligen Wortverbindung richtet. Diejenigen, die daran interessiert sind, Kṛṣṇa-Bewußtsein zu entwickeln, sollten Regeln und Vorschriften nicht um wirtschaftlichen Fortschritts willen annehmen; vielmehr sollten sie den Regeln und Regulierungen der Schriften vertrauensvoll folgen, um Fortschritte im Kṛṣṇa-Bewußtsein zu machen. Sie sollten sich streng an die regulierenden Prinzipien halten, indem sie unerlaubte Geschlechtsbeziehungen, das Essen von Fleisch, Glücksspiel und Berauschung vermeiden.

Auch sollte man die Gemeinschaft der Māyāvādīs meiden, die doch nur die Vaiṣṇavas (Gottgeweihten) beleidigen. Bhukti-kāmīs, die an materiellem Glück interessiert sind, mukti-kāmīs, die nach Befreiung durch Verschmelzung mit der Existenz des formlosen Absoluten (Brahman) streben, und siddhi-kāmīs, die den Wunsch haben, die Vollkommenheit der mystischen yoga-Übungen zu erreichen, werden als atyāhārīs eingestuft. Der Umgang mit solchen Menschen ist nicht im Geringsten wünschenswert.

Die Wünsche, den Geist durch die Vervollkommnung mystischen yogas zu erweitern, mit dem Dasein des Brahman zu verschmelzen oder außergewöhnlichen materiellen Wohlstand zu erreichen, gehören alle zur Kategorie der Gier (laulya). Alle Versuche, solch materielle Gewinne oder sogenannten spirituellen Fortschritt zu erwerben, sind Hindernisse auf dem Pfad des Kṛṣṇa-Bewußtseins.

Die moderne Kriegsführung zwischen den Kapitalisten und Kommunisten hat ihre Ursache darin, daß sie dem Rat Śrīla Rūpa Gosvāmīs hinsichtlich des atyāhāra keine Beachtung schenken. Moderne Kapitalisten häufen mehr Reichtum an, als sie brauchen, und die Kommunisten, die sie um ihren Wohlstand beneiden, wollen allen Reichtum und Besitz verstaatlichen. Unglücklicherweise wissen die Kommunisten nicht, wie das Problem des Reichtums und seiner Verteilung zu lösen ist. Folglich ergibt sich keine Lösung, wenn der Reichtum der Kapitalisten in die Hände der Kommunisten fällt. Im Gegensatz zu diesen beiden Philosophien besagt die Kṛṣṇa-bewußte Ideologie, daß aller Reichtum Kṛṣṇa gehört. Solange daher nicht aller Reichtum unter Kṛṣṇas Verwaltung kommt, kann es für die wirtschaftlichen Probleme der Menschheit keine Lösung geben. Es nützt nichts, den Reichtum in die Hände der Kommunisten oder Kapitalisten zu legen. Wenn ein Hundertdollarschein auf der Straße liegt, mag ihn jemand aufheben und in seine Tasche stecken. Ein solcher Mensch ist nicht ehrlich. Ein anderer Mann mag das Geld sehen und den Entschluß fassen, es dort liegen zu lassen, mit dem Gedanken, daß er das Eigentum eines anderen nicht berühren dürfe. Obwohl dieser zweite Mann das Geld nicht für seine eigenen Zwecke stiehlt, ist er sich des richtigen Gebrauchs nicht bewußt. Ein Dritter, der den Hundertdollarschein sieht, mag ihn aufheben, den Mann ausfindig machen, der ihn verloren hat, und ihm das Geld zurückgeben. Dieser Mann stiehlt das Geld nicht, um es für sich selbst auszugeben, noch vernachlässigt er es und läßt es auf der Straße liegen. Indem er es nimmt und dem Mann zurückgibt, der es verloren hat, ist dieser Mann sowohl ehrlich als auch weise.

Einfach nur den Reichtum von den Kapitalisten auf die Kommunisten zu übertragen, kann das Problem der modernen Politik nicht lösen, denn es hat sich gezeigt, daß auch ein Kommunist, der Geld bekommt, es für seine eigene Sinnenbefriedgung benutzt. Der Reichtum der Welt gehört im Grunde Kṛṣṇa, und jedem Lebewesen, ob Mensch oder Tier, steht das Geburtsrecht zu, Gottes Eigentum für seinen Unterhalt zu gebrauchen. Wenn man mehr nimmt, als der eigene Unterhalt erfordert – sei man nun Kapitalist oder Kommunist, ist man ein Dieb und unterliegt als solcher der Bestrafung durch die Gesetze der Natur.

Der Reichtum der Welt sollte zum Wohl aller Lebewesen verwendet werden, denn so sieht es der Plan von Mutter Natur vor. Jeder hat das Recht zu leben, indem er vom Reichtum des Herrn Gebrauch macht. Wenn die Menschen die Kunst erlernen, das Eigentum des Herrn wissenschaftlich zu nutzen, werden sie nicht länger in die Rechte ihrer Mitgeschöpfe eingreifen. Dann kann eine vorbildliche Gesellschaft geschaffen werden. Das Grundprinzip für eine solche spirituelle Gesellschaft wird im Ersten Mantra der Śrī Īśopaniṣad festgelegt:

īśāvāsyam idaṁ sarvaṁ
yat kiñca jagatyāṁ jagat
tena tyaktena bhuñjīthā
mā gṛdhaḥ kasya svid dhanam

„Der Herr beherrscht und besitzt alles Belebte und Unbelebte im Universum. Der Mensch sollte sich daher mit dem begnügen, was er wirklich braucht und was als sein Anteil vorgesehen ist. Nach anderen Dingen sollte er nicht trachten, weiß er doch, wem sie gehören!“

Kṛṣṇa-bewußte Gottgeweihte wissen sehr wohl, daß die materielle Welt durch die vollständige Vorkehrung des Herrn so gestaltet ist, daß die Lebensnotwendigkeiten aller Lebewesen erfüllt werden, ohne daß diese in das Leben oder die Rechte anderer eingreifen müssen. Diese vollständige Vorkehrung sieht für jeden seinen wirklichen Bedürfnissen entsprechend den angemessenen Anteil an Reichtum vor, und so kann jeder nach dem Grundsatz des einfachen Lebens und hohen Denkens in Frieden leben. Unglücklicherweise mißbrauchen Materialisten, die weder an den Plan Gottes glauben noch nach höherer spiritueller Entwicklung streben, ihre gottgegebene Intelligenz, nur um ihre materiellen Besitztümer zu vermehren. Sie entwerfen viele Systeme – wie beispielsweise Kapitalismus und materialistischen Kommunismus –, um ihre materiellen Umstände zu verbessern. Sie zeigen kein Interesse an den Gesetzen Gottes oder einem höheren Ziel. Stets begierig, ihre grenzenlosen Wünsche nach Sinnenbefriedigung zu erfüllen, zeichnen sie sich durch die Fähigkeit aus, ihre Mitgeschöpfe auszubeuten.

Wenn die menschliche Gesellschaft diese von Śrīla Rūpa Gosvāmī aufgeführten elementaren Fehler (atyāhāra und so fort) aufgibt, wird alle Feindseligkeit zwischen Menschen und Tieren, Kapitalisten und Kommunisten und so weiter aufhören. Hinzu kommt, daß alle Probleme wirtschaftlicher oder politischer Unausgeglichenheit und Instabilität gelöst sein werden. Dieses reine Bewußtsein wird durch die geeignete spirituelle Erziehung und Übung erweckt, die von der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein in wissenschaftlicher Form angeboten wird.

Die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein offeriert eine spirituelle Gemeinschaft, die einen friedlichen Zustand auf der Welt herbeiführen kann. Jeder intelligente Mensch sollte sein Bewußtsein läutern und sich von den oben erwähnten sechs Hindernissen im hingebungsvollen Dienst befreien, indem er mit ganzem Herzen bei der Bewegung für Kṛṣṇa-Bewußtsein Schutz sucht.